
- Was ist Wissen?
- Woher kommt unser Wissen?
- Was können wir sicher wissen?
- Gibt es eine objektive Wahrheit?
- Glossar — kurz und knapp
- Sapere aude! 🙂
„Der Zweifel ist kein angenehmer Zustand, Gewissheit aber ist lächerlich.“ — Voltaire1
Lena tritt durch die Küchentür. Sie balanciert eine große Tasse in ihrer Hand, ein Buch klemmt unter ihrem Arm. Max lehnt an der Theke, spielt mit seinem Handy und wundert sich über die drei Schüsseln, die er gerade entdeckt hat. Es regnet draußen, und was gibt es für eine Philosophiestudentin Schöneres zu tun, als den Horizont gelangweilter Teenager zu erweitern? Vieles, denkt sich Lena, aber sie hat ihren Eltern nun mal versprochen, auf Max aufzupassen — trotz seines Protests. Max ist schließlich schon vierzehn, aber ein paar verzeihliche, dennoch unkluge Entscheidungen haben ihm Hausarrest beschert. Was will man machen?
Lena (grinsend): „Okay, Max, ich brauche mal deine Hände für ein kleines Experiment.“
Max (misstrauisch): „Was für ein Experiment? Klingt nach Ärger.“
Lena (lacht): „Keine Sorge, du überlebst. Leg deine rechte Hand in diese Schüssel mit heißem Wasser und die linke in die mit kaltem. Sag mir, wie es sich anfühlt.“
Max (zögert und zieht dann die Schultern hoch): „Uff, das heiße Wasser brennt fast, und das kalte ist total eisig. Was soll das bringen?“
Lena (zwinkernd): „Jetzt kommt der spannende Teil: Leg beide Hände gleichzeitig in die Schüssel mit lauwarmem Wasser.“
Max (runzelt verwirrt die Stirn): „Hä?! Meine rechte Hand denkt, das Wasser ist kalt, aber die linke, dass es warm ist. Was ist hier los?“
Lena (grinst): „Tja, willkommen im Club der getäuschten Sinne. Dein Gehirn vergleicht das, was es vorher gespürt hat, mit dem, was es jetzt fühlt. Das lauwarme Wasser hat nur eine Temperatur, aber deine Hände sagen dir was völlig Unterschiedliches.“
Max „Krass. Es fühlt sich so verschieden an. Wie kann das sein?“
Lena: „Das zeigt, dass unsere Sinne uns täuschen können. Descartes, der Philosoph, den ich gerade lese, hätte genau deswegen gesagt, dass man den Sinnen nicht immer trauen kann. Nur weil es sich so anfühlt, heißt das noch lange nicht, dass es die Wahrheit ist.“
Max (schmunzelnd): „Also, du zeigst mir hier einen kleinen Zaubertrick und gleichzeitig ’ne Lektion in Philosophie? Nicht schlecht, Lena. Vielleicht hör ich dir jetzt öfter zu.“
Lena (stupst ihn mit dem Ellbogen): „Das wäre mal was. Aber ehrlich, das ist echt spannend. Descartes hat sich gefragt: Wenn unsere Sinne so leicht getäuscht werden können – was können wir dann überhaupt sicher wissen?“
Max (nachdenklich): „Hmm. Also, wir wissen, dass ich jetzt total verwirrt bin.“
Lena (legt Max eine Hand auf die Schulter): „Das ist ein Anfang! Willkommen in der Philosophie.“

Kennst du das Gefühl, wenn du dir unsicher bist, was wirklich wahr ist? In einem Zeitalter der künstlichen Intelligenz und der Fake News, in dem Meinungen mehr Beachtung finden als Tatsachen, fragst du dich: „Stimmt das? Ist das wirklich so?“ Um diesen notwendigen Zweifel geht es Voltaire (*1694), den ich oben zitiert habe, und genau hier setzt die Erkenntnistheorie an. Sie beschäftigt sich mit der Frage: Was können wir wissen — und wie können wir dieses Wissen erlangen? Erkenntnistheorie fragt: Ist unser Wissen zuverlässig? Und — hat Wissenschaft immer recht?
Was ist Wissen?
Wir müssen zunächst zwischen Wahrheit und Meinung unterscheiden.
Eine Meinung ist ein persönlicher Glaube oder eine Vorstellung, die wahr oder falsch sein kann. Sie basiert oft auf Gefühlen oder unvollständigen Informationen. Unsere Überzeugungen sind immer von unserer jeweiligen Kultur abhängig, von den Normen, mit denen wir aufwachsen, von unserer sozialen Gemeinschaft, unserer Sprache und natürlich auch von der Zeit, in der wir leben.
Wahrheit hingegen ist etwas, das objektiv richtig ist, unabhängig davon, was jemand glaubt. Schon der griechische Philosoph Aristoteles (*384 c. Chr.) sagte, dass Wahrheit dann gegeben ist, wenn unsere Aussagen mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
Ein Klassiker der Erkenntnistheorie ist daher die Idee vom „gerechtfertigten wahren Glauben“. Heißt im Klartext: Damit du sicher sagen kannst, dass du etwas weißt, müssen drei Dinge zutreffen:
- Du musst es glauben (logisch, oder?).
- Es muss wahr sein (sonst wäre es kein Wissen).
- Und du brauchst einen guten Grund dafür, dass du es glaubst (du musst mehr haben als nur ein Gefühl).
Hier ein Beispiel: Stell dir vor, dein Freund behauptet, er weiß, dass es bald regnen wird.
- Glauben: Dein Freund ist überzeugt davon.
- Wahrheit: Es regnet tatsächlich kurz darauf.
- Gute Gründe: Er hat den Wetterbericht gesehen und den Himmel beobachtet.
Nur wenn alle drei Bedingungen erfüllt sind, kann man sagen, dass er wirklich wusste, dass es regnen wird.
Doch — in der Philosophie gibt es immer einen Twist: Ein Typ namens Edmund Gettier (*1927) hat gezeigt, dass selbst der gerechtfertigte wahre Glaube nicht immer reicht. Manchmal können wir etwas glauben und es stimmt zufällig; dann war es kein Wissen, sondern reine Glückssache.
Max (schaufelt Müsli in den Mund): „Hey Lena, du hast doch gestern über Wissen gesprochen. Aber wenn man was weiß, dann weiß man es halt, oder?“
Lena (setzt sich ihm gegenüber): „Tja, das ist nicht immer so einfach. Kennst du das Gettier-Problem?“
Max (kaut nachdenklich): „Äh, nein? Klingt kompliziert.“
Lena (grinst): „Stell dir vor, du schaust auf eine Wiese und sagst: ‚Da steht ein Schaf.‘ Und du hast gute Augen, du kannst das wirklich erkennen.“
Max: „Okaaay …“
Lena: „Nur … das, was du da siehst, ist eigentlich ein Schäferhund, der ein Schafskostüm trägt. Aber hinter dem Hügel steht wirklich ein echtes Schaf. Also liegt deine Aussage zufällig richtig.“
Max: „Hä. Also ich hatte recht, aber aus komplett falschem Grund?“
Lena: „Genau. Du hattest eine begründete Meinung, die zufällig richtig war – auf der Wiese stand ein Schaf. Aber du lagst aus dem falschen Grund richtig. Das ist das Gettier-Problem: Es zeigt, dass Wissen mehr als nur ‚wahre, gerechtfertigte Meinung‘ ist.“
Max (grübelt): „Das heißt, ich kann recht haben, aber nicht wirklich wissen, warum? Klingt wie meine Mathetests.“
Lena (lacht): „Exakt! Gettier wollte zeigen, dass auch dann, wenn du gute Gründe hast und richtig liegst, es nicht unbedingt Wissen ist, wenn die Gründe nicht stimmen. Wie bei einer kaputten Uhr, die zweimal am Tag die richtige Uhrzeit zeigt und uns in dem Moment glauben lässt, dass sie funktioniert.“

Woher kommt unser Wissen?
„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ – Wenn wir dem griechischen Philosophen Sokrates (*469) folgen, dann sind nur die Menschen als weise zu betrachten, die ihre eigene Unwissenheit erkennen. Sokrates war ein sehr neugieriger Mensch und er liebte Diskussionen. Und er glaubte, dass man sich einer wahren Antwort durchaus annähern kann, indem man Fragen stellt und sie beantwortet – mit Geduld, Offenheit und Ehrlichkeit. Denn Philosophen sollten immer bereit sein, neue Dinge zu lernen und auf eine andere Art zu denken, wenn jemand ein besseres Argument vorbringt. Ein guter Philosoph lässt also seine Idee kritisieren. Diesen Prozess – das Aufdecken gedanklicher Lücken durch Frage-und-Antwort-Gespräche – nennen wir heute die sokratische Methode.
Für Sokrates beginnt Wissen also beim Zweifel.
Aber es gibt Menschen, die das etwas anders sehen. Manche Forschende sind überzeugt, dass sie mit ihren Methoden tatsächlich neues Wissen schaffen können – und nicht nur bestehende Ideen kritisch auseinandernehmen.
Um das zu verstehen, muss man bedenken: Die scharfe Trennung zwischen Philosophie und Wissenschaft ist historisch gesehen ziemlich frisch. Jahrhunderte lang waren Philosophen auch Naturforscher, Mathematiker, Moralphilosophen und politische Denker in einer Person. Für sie gehörte alles zusammen: die Welt, der Mensch und die Frage, wie man das Ganze begreifen kann. Wahrheit war kein Puzzle aus vielen kleinen Teilen, sondern ein großes Bild, das man nur als Gesamtheit versteht.
Heute wirkt das anders. Unsere Wissenslandschaft ist in viele spezialisierte Wissenschaften aufgeteilt, und es wäre naheliegend zu sagen: „Na klar, wir wissen Dinge, weil es Physik, Biologie, Psychologie und so weiter gibt.“
Aber ist es wirklich so einfach, Lena?
Lena (lehnt sich nachdenklich zurück): „Sag mal, Max, glaubst du, die Wissenschaft hat immer recht?“
Max (zögernd, schiebt sein Müsli herum): „Ähm, meistens schon, oder? Ich meine, Wissenschaftler wissen doch, was sie tun. Die haben all diese Tests und Formeln.“
Lena (schmunzelnd): „Ja, Wissenschaft ist gut darin, die Welt zu erklären, aber das heißt nicht, dass sie immer recht hat. Erinnerst du dich noch daran, dass man früher dachte, die Erde sei flach? Oder dass die Sonne sich um die Erde dreht? Das waren wissenschaftliche Überzeugungen — damals jedenfalls.“
Max (schiebt die Schüssel weg): „Stimmt! Das ist aber ewig her, oder? Heute haben wir doch viel mehr Technik, um alles zu überprüfen.“
Lena: „Ja, aber selbst heute ändern sich wissenschaftliche Theorien ständig. Schau dir mal Pluto an. Jahrzehntelang galt er als Planet, und dann plötzlich hieß es: ‚Nee, doch kein Planet!‘ Es hängt immer davon ab, wie weit unsere Messmethoden und Erkenntnisse sind. Wissenschaft ist also mehr ein Prozess des Lernens und Verbesserns als das endgültige Wissen über alles.“
Max (nachdenklich): „Hmm, also sie kommen der Wahrheit näher, aber manchmal können sie auch danebenliegen?“
Lena: „Genau. Wissenschaft funktioniert nach dem Prinzip, dass man immer wieder Dinge überprüft, verbessert oder sogar verwirft, wenn neue Beweise auftauchen. Noch ein Beispiel: Früher glaubte man, dass Magengeschwüre durch Stress oder zu viel Säure entstehen. Heute wissen wir, dass sie meistens durch Bakterien verursacht werden. Und das war eine riesige Entdeckung!“
Max: „Krass, also selbst Sachen, die wie Fakten klingen, können sich ändern.“
Lena: „Auf jeden Fall! Wissenschaftler machen auch Fehler. Die Sache ist, die Wissenschaft lernt aus diesen Fehlern. Deshalb sollten wir nicht blind alles glauben, sondern immer kritisch nachfragen. Was Wissenschaft großartig macht, ist, dass sie offen für Veränderung ist.“
Max (mit einem Lächeln): „Das heißt also, wenn ich sage, dass ich wirklich weiß, dass Schokolade Gemüse ist, könnte die Wissenschaft das eines Tages bestätigen?“
Lena (lacht): „Tja, Max, wenn du genug neue Beweise findest – dann ist alles möglich!“
In der Menschheitsgeschichte gibt es etliche Beispiele für Dinge, die man für wissenschaftliche Wahrheit gehalten hat und die sich anschließend als falsch erwiesen haben. So glaubten die Europäer lange, dass alle Schwäne weiß seien. Erst Ende des 17. Jahrhunderts berichteten niederländische Händler von schwarzen Schwänen, die sie in Australien gesichtet haben. Aufgrund dieses Problems schlug der österreichische Philosoph Karl Popper (*1902) vor, dass es in der Wissenschaft nur darum gehen solle, Annahmen als falsch nachzuweisen — und nicht darum, sie als wahr zu beweisen. Popper sagte, dass nur eine Annahme, die auch widerlegt werden könnte, wissenschaftlich testbar ist. Was sich jedoch nie als falsch erweisen kann, könne niemals als wissenschaftlich gelten.
Max (grinst neugierig): „Lena, mal im Ernst: Glaubst du an Aliens?“
Lena (lacht, rollt die Augen): „Ach, die große Frage! Aber weißt du was? Wenn ich jetzt sagen würde ‚Es gibt außerirdisches Leben‘, würde Karl Popper das nicht als wissenschaftliche Aussage gelten lassen.“
Max (zieht die Stirn kraus): „Hä, wieso nicht? Klar könnten irgendwo Aliens existieren! Man kann das doch mit Wissenschaft herausfinden, oder?“
Lena (lehnt sich vor): „Theoretisch schon, aber Poppers Punkt ist: Eine wissenschaftliche Aussage muss widerlegbar sein. Wenn ich sage, ‚Es gibt Aliens‘ – wie könnte man beweisen, dass das falsch ist? Das Universum ist so riesig, wir könnten jeden Planeten absuchen und trotzdem sagen: ‚Die Aliens sind woanders.‘“
Max (nickt langsam): „Ah, okay, also wir könnten ewig suchen und hätten nie den Beweis, dass es keine gibt.“
Lena: „Genau. Es ist, als würdest du behaupten: ‚Irgendwo gibt es einen unsichtbaren Drachen.‘ Wie willst du das widerlegen? Bei wissenschaftlichen Aussagen musst du immer eine Möglichkeit haben, zu zeigen, dass sie falsch sind.“
Max (kratzt sich am Kopf): „Hm, macht Sinn. Aber was wäre dann eine richtige wissenschaftliche Aussage?“
Lena: „Etwas wie ‚Es gibt kein Leben auf dem Mars.‘ Das ist testbar. Wenn wir Leben finden, ist die Aussage widerlegt.“
Max (mit einem Augenzwinkern): „Okay, und wenn der Drache auf dem Mars lebt? Unsichtbar, versteht sich.“
Lena (lacht): „Tja, kleiner Bruder, vielleicht wirst du ja derjenige, der es beweist!“
Der Wissenschaft geht es darum, Fragen über die Welt und das Leben zu stellen. Und einige dieser Fragen kann sie nicht beantworten. Dann ist auch heute noch die Philosophie am Zug.
Im Hinblick auf die Frage, wie wir unser Wissen erlangen, haben sich in der Geschichte der Philosophie zwei große Lager gebildet: die Empiristen (von griechisch έμπειρία → „Erfahrung“) und die Rationalisten (von lateinisch ratio → „Vernunft“). Beide stellen Lena und ich euch im Folgenden vor.
Empirismus
Als frühester Empirist gilt Aristoteles. Er glaubte, dass wir zuverlässiges Wissen nur erlangen können, wenn wir mit unseren Sinneseindrücken die Welt untersuchen. Für Aristoteles war es unmöglich, ohne unsere Sinne etwas zu begreifen und zu lernen. So war ein Hund für ihn ein Hund, weil er die Merkmale eines Hundes trägt, die wir aus früheren Erfahrungen mit Hunden kennen.
Auch John Locke (*1632) meinte, dass unser Geist bei der Geburt eine Tabula rasa — ein unbeschriebenes Blatt — sei. Nur durch Erfahrungen mit der Welt beginnen wir, unseren Verstand mit Wissen zu füllen, also das weiße Blatt zu beschreiben.
Lena (grinsend, beugt sich leicht vor): „Hey Max, hast du Lust auf ein kleines Gedankenexperiment?“
Max (schaut skeptisch, aber interessiert): „Gedankenexperiment? Klingt spannend. Schieß los.“
Lena: „Also, es gibt dieses berühmte Experiment von einem Philosophen namens Frank Jackson. Es geht um eine Frau namens Mary. Sie ist eine brillante Wissenschaftlerin und weiß alles über Farben — sie kennt jedes Detail darüber, wie das menschliche Auge Farben wahrnimmt, wie das Licht verschiedener Wellenlängen unsere Netzhaut erreicht und wie unser Gehirn diese Signale verarbeitet. Sie kennt jede wissenschaftliche Theorie, jedes physikalische Gesetz und jede neurologische Erklärung. Aber hier ist der Clou: Sie hat noch nie selbst Farben gesehen. Ihr ganzes Leben verbringt sie in einem Raum, in dem alles schwarz-weiß ist: die Möbel, die Wände, sogar das, was sie isst. Auch Mary selbst ist schwarz-weiß. Alles, was sie über Farben weiß, hat sie nur aus Büchern und wissenschaftlichen Fakten gelernt.“
Max (zieht eine Augenbraue hoch): „Okay, das klingt schräg. Sie weiß alles über Farben, aber hat noch nie eine gesehen? Was soll das beweisen?“
Lena (gespielt geheimnisvoll): „Jetzt kommt’s. Stell dir vor, eines Tages darf Mary aus dem Raum raus und sieht zum ersten Mal die Farbe Rot. Die große Frage ist jetzt: Hat sie etwas Neues gelernt, obwohl sie theoretisch schon alles über Rot wusste?“
Max (nachdenklich): „Hmmm … also sie wusste vorher alles, aber es fühlt sich bestimmt anders an, Rot wirklich zu sehen. Oder Blau! Es heißt ja, dass Blau auf uns beruhigend wirkt, zumindest entspannt es uns eher als Rot. Das bedeutet, Fakten sind nicht das Gleiche, wie etwas selbst zu erleben, oder?“
Lena: „Genau! Das ist der Punkt. Obwohl Mary die wissenschaftlichen Fakten über Farben kennt, könnte man sagen, dass sie erst wirklich etwas Neues lernt, wenn sie die Farbe selbst sieht. Das Experiment zeigt, dass es einen Unterschied gibt zwischen reinem theoretischen Wissen und Sinneserfahrungen.“
Max: „Also sagt Jackson, dass man Dinge nicht wirklich kennt, solange man sie nicht selbst erlebt hat?“
Lena: „Exakt. Für die Empiristen ist Wissen nicht nur das, was wir aus Büchern oder Theorien lernen, sondern auch das, was wir durch sinnliche Erfahrung begreifen. Du kannst zum Beispiel alles über den Geschmack einer Zitrone wissen und verstehen, dass sie sauer ist. Aber wenn du eine Zitrone in den Mund nimmst, ist das eine ganz andere Erfahrung.“
Max (lacht): „Oh Mann, ja! Theoretisch weiß ich, dass Zitronen sauer sind, aber wenn ich reinbeiße … das ist ein ganz anderer Schmerz!“
Lena (grinst): „Ganz genau. Und deshalb sagen Empiristen wie John Locke, dass Sinneserfahrungen eine entscheidende Quelle für Wissen sind. Ohne sie fehlt dir ein Teil des Verständnisses, selbst wenn du alles darüber lesen könntest.“

Kurz: Das Gedankenexperiment Marys Zimmer von Frank Jackson (*1943) stellt infrage, ob wissenschaftliches Wissen allein ausreicht, um die Welt vollständig zu verstehen, oder ob Erfahrungswissen – das, was wir selbst durch unsere Sinne und Erlebnisse wahrnehmen – eine eigene, unverzichtbare Form von Wissen ist.
Rationalismus
Unsere Sinne sind gute Gründe, etwas zu glauben. Wenn wir einen Baum sehen und wir erinnern uns daran, dass so ein Ahornbaum aussieht, ist es eine nachvollziehbare Annahme, dass wir gerade einen Ahornbaum betrachten. Doch Skeptiker verweisen darauf, dass unsere Sinne uns täuschen können. Das beweist Lenas Experiment mit den Wasserschüsseln, denn Wasser kann nicht kalt und warm zugleich sein. Oder eine Fata Morgana – eine optische Täuschung, die vor allem in der Wüste oder über dem Meer auftritt. Sie entsteht, wenn die Luft in verschiedenen Schichten unterschiedlich warm ist. Das Licht, das durch diese Schichten wandert, wird gebrochen, sodass der Eindruck entsteht, dort wäre etwas, das in Wirklichkeit gar nicht existiert – etwa Wasser oder ferne Städte. Eine Fata Morgana kann dich also glauben machen, dass etwas real ist, was nur ein Spiel des Lichts ist.
Aber wenn wir unseren Sinnen nicht trauen können, wie können wir dann behaupten, etwas zu wissen?
Für Rationalisten wie Platon (*427 v. Chr.), ein alter griechischer Denker, ist unser Geist, nicht die Außenwelt, die Hauptquelle der Erkenntnis. Wissen ist etwas, mit dem wir geboren werden. Lernen ist für Platon also reines Wiedererinnern. Denn er glaubte, dass unsere Seele, bevor sie unseren Körper bewohnte, auf ihrer Seelenwanderung bereits mit Urbildern aus einer Welt der Ideen ausgestattet wurde. Und dass wir nach unserer Geburt nur Schatten der wahren Welt sehen. Alles, was wir sehen, sei nur eine Kopie der Wirklichkeit.
Max (grübelnd, die Stirn in Falten gelegt): „Lena, hast du schon mal vom Höhlengleichnis gehört? Wir haben es heute im Unterricht besprochen, aber irgendwie … Ich kapier es nicht.“
Lena (lächelt, spürt seine Verwirrung): „Klar, das Höhlengleichnis ist eines der berühmtesten Bilder der Philosophie. Es zeigt ziemlich gut, wie Menschen Wissen und Wahrheit wahrnehmen. Komm, ich erklär’s dir Schritt für Schritt.“
Das Höhlengleichnis
Lena (setzt sich gemütlich hin): „Also, stell dir vor, in einer Höhle sitzen Menschen, die ihr ganzes Leben lang gefesselt sind. Sie sitzen in der Dunkelheit und können nur auf eine Wand vor ihnen starren. Hinter ihnen brennt ein Feuer, und zwischen dem Feuer und den Gefesselten bewegen andere Menschen verschiedene Dinge — wie Marionetten oder Figuren. Diese Dinge werfen Schatten auf die Wand.“
Max (runzelt die Stirn): „Also sehen die Leute nur Schatten? Und sie denken, die Schatten wären echt?“
Lena (nickt ernst): „Genau. Für die Gefesselten sind diese Schatten die ganze Realität. Sie kennen nichts anderes, sie haben keine Ahnung vom Feuer hinter ihnen, geschweige denn von der Welt außerhalb der Höhle. Für sie sind diese Schatten die absolute Wahrheit.“
Max (mitleidig): „Das klingt deprimierend. Was passiert dann?“
Lena (ihre Augen blitzen auf): „Jetzt kommt das Spannende. Stell dir vor, einer der Gefesselten wird befreit. Er dreht sich um und sieht zum ersten Mal das Feuer und die Figuren, die die Schatten werfen. Erstmal tut ihm das Licht weh — seine Augen sind es nicht gewohnt, nach all den Jahren in der Dunkelheit. Aber irgendwann merkt er: Die Schatten sind nicht die wahre Welt.“
Max (aufgeregt): „Und dann? Geht er raus aus der Höhle?“
Lena (nickt, mit einem geheimnisvollen Lächeln): „Richtig. Er traut sich aus der Höhle ins Freie. Anfangs blendet ihn das Sonnenlicht, alles ist unscharf. Aber nach einer Weile kann er die echte Welt sehen — die Farben, die Formen, die Lebendigkeit. Schließlich erkennt er auch die Sonne selbst, die alles erleuchtet. Und er versteht: Die Schatten in der Höhle waren nur Abklatsche, flache Nachbilder der Wirklichkeit.“
Max (entgeistert): „Wow. Das ist schon heftig. Die Leute in der Höhle … die leben ja total im Dunkeln.“
Lena (traurig): „Genau. Sie kennen nur die Schatten. Und jetzt stell dir vor, der Befreite kehrt zurück in die Höhle, um den anderen zu erzählen, was er draußen gesehen hat.“
Max (zieht die Augenbrauen hoch): „Die glauben ihm bestimmt kein Wort, oder?“
Lena (schüttelt den Kopf): „Richtig. Sie lachen ihn aus. Sie halten ihn für verrückt. Für sie gibt es nur die Schatten, das ist ihre ganze Welt. Sie können sich nicht vorstellen, dass da draußen etwas anderes, etwas Größeres ist. Im schlimmsten Fall … würden sie ihn vielleicht sogar bedrohen oder angreifen, weil er ihre Überzeugungen infrage stellt.“
Max (düster): „Erinnert mich irgendwie an Sokrates …“
Lena (ruhig): „Ja. Platon hat das Gleichnis wahrscheinlich geschrieben, um an die Verurteilung seines Lehrers Sokrates zu erinnern, der für seine Überzeugungen den Tod in Kauf genommen hat. Sokrates hat ja damals ständig Fragen gestellt und Leute zum Nachdenken gebracht – und das fanden manche einflussreichen Athener richtig unbequem. Sie haben behauptet, er würde die Jugend verderben und die Götter beleidigen. Total vorgeschoben, natürlich. Aber er wurde verurteilt. Und das Krasse ist: Er hätte abhauen können. Freunde hatten sogar alles vorbereitet. Aber er meinte, es wäre falsch, gegen seine eigenen Grundsätze zu handeln. Also blieb er. Obwohl das hieß, den Giftbecher zu trinken.“
Was bedeutet das für uns?
Max (lehnt sich zurück, noch immer nachdenklich): „Okay … und was genau wollte Platon mit dieser Geschichte sagen?“
Lena (erklärt geduldig): „Platon wollte zeigen, dass wir Menschen oft in unserer eigenen kleinen ‚Höhle‘ leben, gefangen in unseren Vorurteilen und begrenzten Vorstellungen. Die Schatten an der Wand stehen für das, was wir wahrnehmen — oft nur Oberflächlichkeiten oder das, was uns andere vorgeben. Aber das heißt nicht, dass das die ganze Wahrheit ist. Die echte Wahrheit ist oft viel komplexer.“
Max: „Also sagst du, dass wir manchmal Dinge für wahr halten, die es vielleicht gar nicht sind, weil wir nicht genug wissen?“
Lena (nickt): „Ja. Platon meint, es braucht Mut, die Schatten zu hinterfragen und die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Denn das ist nicht einfach — es kann weh tun, alte Überzeugungen loszulassen. Es kann unbequem sein. Aber wenn wir uns nicht mit den Schatten zufriedengeben, können wir vielleicht die wahre, tiefere Welt erkennen.“
Warum ist das heute noch wichtig?
Max (lehnt sich auf die Couch): „Okay, das klingt cool … aber was hat das mit meinem Leben zu tun? Ich sitze ja nicht in einer Höhle.“
Lena (zwinkert ihm zu): „Naja, bildlich gesprochen schon. Nimm mal an, du informierst dich nur über Social Media — all die Algorithmen zeigen dir bloß, was du eh schon glaubst. Das sind dann deine ‚Schatten‘. Du siehst nur das, was bestätigt, was du denkst, aber nie das größere Bild. Wenn du das nie hinterfragst, lebst du auch in einer Art ‚Höhle‘.“
Max: „Stimmt, viele Leute glauben alles, was sie im Internet sehen.“
Lena: „Genau. Und deshalb ist das Höhlengleichnis auch heute noch relevant. Es erinnert uns daran, offen für neue Perspektiven zu sein.“
Max (schmunzelnd): „Klingt so, als sollten wir alle mal aus unserer Höhle raus und das Licht sehen.“
Lena (lächelnd): „Das ist der Plan, Max. Das ist der Plan.“

Platon glaubte also, dass es zwei „Welten“ gibt:
- Die Welt der Sinne, in der wir leben. Das ist die Welt, die wir sehen, hören und anfassen können. Sie ist aber unvollkommen und ständig im Wandel, wie z. B. Dinge, die altern oder zerfallen.
- Die Welt der Ideen, die dahinter liegt. Diese Welt ist perfekt, unveränderlich und ewig. Hier existieren die wahren Versionen von allem — wie eine perfekte Idee von einem Kreis oder von Gerechtigkeit. Alles in der Welt der Sinne ist nur ein unvollkommenes Abbild dieser idealen Formen.
Stell dir vor, du siehst eine Tasse. In unserer Welt gibt es viele Tassen: große, kleine, rote, blaue. Jede ist ein bisschen anders, aber in Platons Welt der Ideen gibt es die perfekte Tasse, nach der sich alle anderen richten. Sie bleibt immer gleich, auch wenn alle echten Tassen irgendwann zerbrechen oder kaputtgehen.
Platon meint, dass wahres Wissen nicht durch das Sammeln von Eindrücken (was du siehst, hörst usw.) kommt, sondern durch das Erkennen dieser ewigen Ideen. Philosophie ist für ihn der Weg, durch langwierige, anstrengende Denkarbeit die Schleier der Sinneswelt zu durchdringen, das ursprüngliche Wissen zurück ins Bewusstsein zu holen und die Wahrheit hinter den Dingen zu verstehen — so, wie es im Höhlengleichnis beschrieben wird, wo man aus der Höhle tritt und die wahre Welt entdeckt.
Was können wir sicher wissen?
Kommen wir zur ultimativen Frage: Gibt es irgendetwas, das wir absolut sicher wissen können?
René Descartes (*1596) war ein französischer Philosoph. Er war wie Platon Rationalist, da er seinen Sinneserfahrungen nicht traute, aber noch radikaler. Descartes hat sich den Kopf darüber zerbrochen, ob es eine Erkenntnis gebe, die so offensichtlich ist, dass sie als Grundlage für alles andere Wissen dienen könne.
Max blinzelte und richtete sich langsam auf. Wo war er? Die Farben um ihn herum waren merkwürdig verzerrt, als hätte jemand die Sättigung der Welt hochgedreht. Er sah sich um: Die Wände seines Zimmers waren verschwommen, und alles fühlte sich gleichzeitig vertraut und doch fremd an. Langsam erhob er sich, seine Schritte federleicht, als würden seine Füße den Boden kaum berühren. „Bin ich noch hier?“, flüsterte er. Das Gefühl, dass er in einer anderen Welt war, wuchs mit jedem Atemzug.
Geräusche drangen durch die geschlossene Zimmertür – Lachen und das Klirren von Geschirr, doch sie klangen dumpf, wie durch einen Filter. Max ging zur Tür und drückte seine Handfläche dagegen. Sie fühlte sich warm an. Zu warm. Plötzlich zog eine Frage an seinem Bewusstsein: „Ist das hier echt? Oder …?“
Noch bevor er den Gedanken zu Ende denken konnte, wurde alles schwarz. Er öffnete die Augen. Die Farben, das Zimmer – alles war wieder normal. Aber das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, blieb.
„Lena?“, rief er und sprang aus dem Bett. Im Wohnzimmer fand er seine Schwester, die wie so oft in ihrem Buch versunken war.
„Hm?“, murmelte Lena und sah ihn über ihr Buch hinweg an.
„Woher wissen wir, dass wir wach sind?“
„Oh, das wird interessant“, sagte Lena und klopfte auf das Sofa neben sich. „Setz dich mal. Da hast du dir was Schönes eingebrockt.“
Max ließ sich auf das Sofa fallen, die Stirn noch immer in Falten gelegt. „Ich meine es ernst. Ich hab geträumt … glaub ich? Aber … es fühlte sich so echt an. Was, wenn ich immer noch träume?“
Lena grinste. „Willkommen in der Welt von Descartes, Max.“ Sie legte ihr Buch zur Seite, lehnte sich vor und verschränkte die Arme. „Descartes hat genau das auch gedacht. Er wollte herausfinden, was man wirklich mit absoluter Sicherheit wissen kann. Alles könnte schließlich ein Traum sein, oder vielleicht eine Simulation. So etwas wie im Film Matrix, den du so magst.“
Max’ Augen weiteten sich. „Das wäre krass.“
„Und es wird noch krasser“, sagte Lena mit einem verschwörerischen Lächeln. „Descartes dachte sogar, dass vielleicht ein ‚böser Dämon‘ uns alle täuscht. Nichts, was wir sehen oder erleben, ist echt – nur eine von diesem Dämon erzeugte Illusion.“
Max schauderte leicht. „Klingt irgendwie unheimlich.“
„Ja, ziemlich. Also hat Descartes sich gefragt: Gibt es irgendetwas, woran man nicht zweifeln kann? Und dann kam ihm der Geistesblitz: Selbst wenn alles um ihn herum eine Täuschung wäre – er konnte zumindest sicher sein, dass er denkt. Denn wie kannst du an etwas zweifeln, ohne zu denken?“
Max zog die Stirn kraus. „Also, weil er denkt, wusste er, dass er existiert?“
„Exakt! ‚Cogito ergo sum‘ – ‚Ich denke, also bin ich.‘ Descartes erkannte, dass er zumindest als denkendes Wesen existieren musste. Selbst wenn der Rest eine Illusion war.“
„Aber was ist mit dem Rest? Wie wusste er, dass die Welt echt ist?“
Lena zuckte die Schultern. „Das ist der knifflige Teil. Descartes versuchte, über den Gedanken an Gott zu beweisen, dass die Welt real ist. Er meinte, wenn er einen Geist hat, muss dieser Geist von einem vollkommenen Wesen – also Gott – kommen. Und weil Gott gut sei, würde er uns nicht absichtlich täuschen. Also, dachte Descartes, muss die Außenwelt real sein. Aber viele Philosophen nach ihm haben das skeptischer gesehen. Vielleicht können wir nie sicher wissen, was real ist.“
Max ließ das alles sacken und starrte auf seine Hände. „Also … wir können uns nie zu hundert Prozent sicher sein?“
„Richtig. Das ist der skeptische Ansatz. Aber das ist okay. Manchmal reicht es, sich damit zufriedenzugeben, dass die Dinge meistens so sind, wie sie erscheinen. Und wenn nicht … tja, dann hinterfragen wir sie eben weiter.“ Sie grinste und stupste Max in die Seite. „Aber vielleicht bist du auch nur die Figur in einem großen Spiel.“
Max lachte, aber ein leichtes Unbehagen blieb. „Na toll, danke. Jetzt werde ich die ganze Nacht wachliegen und darüber nachdenken, ob ich echt bin.“
Lena zwinkerte ihm zu. „Vielleicht ist das der Trick – wenn du wirklich nicht sicher bist, ob du wach bist, bist du’s wahrscheinlich nicht.“

Gibt es eine objektive Wahrheit?
Einige Philosophen sagen: „Es gibt eine von uns unabhängige Wahrheit, auch wenn wir sie vielleicht nie vollständig verstehen können.“ Andere meinen: „Alles, was wir wissen, ist durch unsere eigene Sichtweise gefiltert. Jeder hat seine eigene Wahrheit.“
Das führt uns zu der modernen Debatte: Gibt es deine Wahrheit und meine Wahrheit oder gibt es eine, die für alle gilt und gleich ist?
Immanuel Kant (*1724) sagt: Ja, es gibt eine objektive Wahrheit, die nicht von unserer Wahrnehmung abhängt, aber wir werden sie nie erfahren können. Kant meinte, dass unser Verstand die Welt auf eine bestimmte Weise verarbeitet – so wie eine Brille, die wir ständig tragen. Wir sehen die Welt durch diese Brille und sehen alles nur, wie es uns in dem Moment erscheint. Wir interpretieren unsere Wahrnehmungen. Und das bedeutet, dass die „wahre“ Realität – die „Dinge an sich“ – immer für uns verborgen bleiben. Aber sie sind trotzdem da.
Und dann kommt eine weitere Gruppe von Philosophen ins Spiel: die Pragmatisten (von altgriechisch πρᾶγμα → die „Sache“). Der Pragmatismus kam gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Nordamerika auf.
Max (schiebt sein Skateboard unter den Tisch und setzt sich zu Lena): „Mann, Lena. Weißt du noch, als ich letztes Jahr mein altes Board reparieren wollte, statt ein neues zu kaufen? Ich hänge an dem Board und hab echt gedacht, wenn ich es repariere, ist das die richtige Entscheidung. Aber es war doch keine gute Idee. Es fällt schon wieder auseinander.“
Lena (lächelt verständnisvoll): „Hey, du warst pragmatisch. Es war doch völlig okay, es zu versuchen, wenn es sich für dich zu dem Zeitpunkt richtig angefühlt hat.“
Max (zögernd): „Was meinst du … pragmatisch?“
Lena (grinst ertappt): „Du kennst mich doch, ich denke mal wieder philosophisch.“
Max (rollt mit den Augen): „Das war ja klar. Die Philosophen müssen auch wirklich aus allem eine Wissenschaft machen.“
Lena (lacht): „Stimmt. Jedenfalls — die Pragmatisten, allen voran William James und John Dewey, sagten, dass Wahrheit flexibel ist. Dass es nicht die eine, absolute Wahrheit gibt. Das, was wir für wahr halten, ist das, was sich in unseren Erfahrungen bewährt.“
Max (verwirrt): „Also, weil etwas praktisch ist und uns nützt, wird es wahr? Das klingt irgendwie absurd.“
Lena (nickt): „Ja, das denkt man erst mal. Aber Pragmatisten sehen das anders: Für sie sind unsere Überzeugungen Werkzeuge – sie helfen uns im Leben, oder sie tun es nicht. Wenn eine Idee uns weiterbringt, dann ist sie sozusagen ‚wahr‘, solange sie das tut.“
Max (skeptisch): „Aber was, wenn sie irgendwann nicht mehr funktioniert? Ändert sich dann die Wahrheit?“
Lena (ernst): „Genau das ist der Punkt. Für Pragmatisten ist Wahrheit nicht etwas Starres, sondern etwas Dynamisches. Sie verändert sich mit der Zeit, je nachdem, wie gut unsere Überzeugungen in der realen Welt funktionieren. Wenn eine Idee uns irgendwann nicht mehr hilft oder sogar behindert, dann müssen wir sie verwerfen und durch eine bessere Idee ersetzen. Das bedeutet auch, dass Pragmatisten nicht versuchen, Überzeugungen zu beweisen – für sie zählt, ob sich etwas bewährt.“
Max (runzelt die Stirn): „Aber was ist dann mit Moral und so? Kann das, was gut oder richtig ist, sich auch einfach ändern, je nachdem, was nützlich ist? Das klingt irgendwie gefährlich …“
Lena (nickt bedächtig): „Das ist eine berechtigte Frage. Pragmatisten würden sagen, dass auch moralische Überzeugungen sich mit der Zeit wandeln, weil sie uns helfen müssen, in einer sich verändernden Welt gut zu leben. Aber das heißt nicht, dass alles plötzlich beliebig wird. Es geht eher darum, dass wir unsere Ansichten immer wieder überdenken, wenn sie uns nicht mehr dienen – auch moralische Überzeugungen.“
Max (zögerlich): „Ich weiß nicht … das fühlt sich so instabil an. Wie kann man sich dann noch sicher sein, was wahr ist?“
Lena (verständnisvoll): „Ich versteh dich. Der Pragmatismus fordert von uns, Unsicherheit zu akzeptieren. Aber es gibt auch etwas Beruhigendes daran: Du kannst flexibel auf die Welt reagieren und musst nicht an starren Überzeugungen festhalten, die vielleicht längst nicht mehr passen. Es ist eine Art, immer offen für Veränderungen zu bleiben, ohne Angst vor dem Verlust von dem, was ‚wahr‘ ist.“
Max (lächelt leicht): „Klingt, als wäre Pragmatismus sowas wie der MacGyver der Philosophie. Immer das Beste aus dem machen, was gerade funktioniert.“
Lena (lacht): „Genau!“

Wenn man lange genug über Wissen grübelt, bekommt man irgendwann den Verdacht, dass unser Kopf ein ziemlich eigensinniger Mitbewohner ist. Mal schenkt er uns klare Gedanken, mal liefert er Erinnerungen ab, die so zuverlässig sind wie Max, wenn er schwört, er habe wirklich Lenas Lieblingspulli nicht „aus Versehen“ in den Trockner gesteckt.
Und unsere Sinne? Die geben sich redlich Mühe, tappen aber manchmal genauso daneben.
Die Philosophen, die sich mit diesen ganzen Wahrnehmungs- und Wissensknoten beschäftigen, versuchen das Ganze zu sortieren – allerdings nicht mit einem Zauberstab (leider …), sondern eher wie jemand, der eine viel zu volle Schreibtischschublade öffnet und kurz innehält, weil er nicht weiß, ob er zuerst lachen oder weinen soll.
Egal, ob Empirismus, Rationalismus oder die berühmten Schatten an der Höhlenwand: Kaum stellt man eine Antwort in den Raum, springen sofort neue Fragen hoch. Wie Popcorn, das plötzlich loslegt, obwohl man sicher war, die Herdplatte sei längst kalt.
Vielleicht liegt genau darin der Reiz der Erkenntnistheorie: Sie bringt uns dazu, genauer hinzuschauen, statt das Erstbeste abzunicken, nur weil’s bequem wäre.
Und je tiefer du in dieses Fragenmeer steigst, desto klarer wird: Wissen ist nicht nur ein Stapel Fakten im Kopf. Wissen ist auch eine Haltung – die Bereitschaft, immer wieder zu prüfen und im Zweifel umzudenken, wenn man merkt, dass man weniger weiß, als man dachte.
Und dann taucht eine Frage auf, die uns allen ein bisschen guttut:
„Woher weißt du das eigentlich?“
Glossar — kurz und knapp
- Erkenntnistheorie
Die Lehre davon, wie wir Wissen erlangen und wie sicher unser Wissen ist. - Wissen
Etwas zu wissen bedeutet, dass man eine wahre Überzeugung hat und gute Gründe dafür, dass diese Überzeugung richtig ist. - Wahrheit
Etwas ist wahr, wenn es mit der Realität übereinstimmt. Zum Beispiel: Es ist wahr, dass die Erde rund ist, weil sie es wirklich ist.2 - Überzeugung
Eine Überzeugung ist das, was jemand für wahr hält. Man kann zum Beispiel die Überzeugung haben, dass es morgen regnet – aber das bedeutet nicht unbedingt, dass es auch stimmt. - Skeptizismus
Die Haltung, grundsätzlich alles zu hinterfragen. Skeptiker glauben, dass man nichts wirklich sicher wissen kann und dass man immer daran zweifeln sollte, ob etwas wahr ist. - Wahrnehmung
Der Prozess, bei dem wir mit unseren Sinnen (sehen, hören, fühlen, usw.) die Welt um uns herum erfassen. In der Erkenntnistheorie fragt man sich, ob unsere Wahrnehmungen immer verlässlich sind. - Empirie
Wissen, das wir durch Erfahrungen und Beobachtungen sammeln. Wenn du etwas siehst oder erlebst, dann lernst du es auf empirische Weise. - Empirismus
Der Glaube, dass Wissen vor allem durch Erfahrungen und Beobachtungen entsteht. Empiristen sind überzeugt, dass alles, was wir wissen, letztlich auf das basiert, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. - Rationalismus
Die Idee, dass man Wissen hauptsächlich durch das Nachdenken und den Gebrauch des Verstands erlangt. Rationalisten glauben, dass es Dinge gibt, die man auch ohne Erfahrung verstehen kann, z. B. mathematische Wahrheiten. - Subjektivität
Wenn etwas subjektiv ist, bedeutet das, dass es von den persönlichen Erfahrungen und Meinungen einer Person abhängt. Zum Beispiel findet jemand einen Film toll, ein anderer vielleicht langweilig – das sind subjektive Meinungen. - Objektivität
Das Gegenteil von Subjektivität. Etwas ist objektiv, wenn es unabhängig von der Meinung oder Wahrnehmung eines Einzelnen ist. Zum Beispiel sind wissenschaftliche Fakten objektiv, weil sie für alle gleich gelten, egal, was jemand darüber denkt. - Täuschung
Eine Situation, in der deine Sinne oder dein Verstand dir etwas Falsches vorgaukeln. Zum Beispiel, wenn du glaubst, dass eine optische Täuschung ein Bild bewegt, obwohl es stillsteht.
Wenn du dich auch zu diesem Abenteuer aufmachen willst und vor den wegweisenden Originalen nicht zurückschreckst, kannst du dich in folgende Werke einlesen:
- René Descartes – Meditationen über die Erste Philosophie (1641): Descartes fragt, was wir wirklich sicher wissen können, und begründet den modernen Rationalismus. Seine berühmte Aussage „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) bedeutet, dass das Denken der Beweis für unsere Existenz ist.
- David Hume – Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand (1748): Hume kritisiert den Rationalismus und stellt die Bedeutung von Sinneserfahrungen (Empirie) in den Vordergrund. Er fragt, ob wir wirklich sicher sein können, dass es eine Verbindung zwischen Ursache und Wirkung gibt.
- Immanuel Kant – Kritik der reinen Vernunft (1781): Kant versucht, Rationalismus und Empirismus zu verbinden. Er sagt, dass unser Verstand bestimmte Regeln hat, wie wir die Welt wahrnehmen, aber dass Wissen auch von unseren Erfahrungen abhängt.
- John Locke – Essay über den menschlichen Verstand (1689): Locke beschreibt, wie wir nur durch unsere Sinneserfahrungen Wissen erlangen können. Er legt die Grundlagen des Empirismus und sagt, dass der menschliche Geist bei der Geburt wie ein leeres Blatt ist.
- Platon – Theaitetos (ca. 369 v. Chr.): In diesem Dialog diskutiert Platon, was Wissen ist und ob unsere Wahrnehmung verlässliche Erkenntnisse liefert. Es ist ein wichtiges Werk über die Natur des Wissens und die Frage, wie wir die Welt wahrnehmen.
Diese Werke bieten eine fundierte Auseinandersetzung mit den zentralen Fragen der Erkenntnistheorie, wie der Natur des Wissens, der Rolle der Erfahrung und des Verstandes.
Sapere aude! 🙂
Und jetzt seid ihr dran: Die PhiloLounge gibt euch eine Bühne für euer ganz eigenes Gedanken-Stand-up. Hier gibt es keine falschen Antworten, nur euren persönlichen Blick auf die Welt. Lasst euren Gedanken freien Lauf und teilt sie mit uns — Ich bin gespannt, was ihr zu sagen habt!
Meine Fragen an eure Runde:
- Glaubt ihr, dass man etwas wissen kann, ohne es beweisen zu können?
- Woran erkennt ihr, ob ihr wach seid oder träumt?
- Wenn zwei Menschen die gleiche Situation erleben, aber hinterher völlig unterschiedliche Meinungen darüber haben — wer hat dann recht, und warum?
… Los geht’s!
- Aus Voltaire: Kleine philosophische Aufsätze (ursprüngliche Ausgabe ca. 1760) ↩︎
- In der Philosophie gibt es verschiedene Arten zu erklären, was „Wahrheit“ bedeutet. Die bekannteste Idee ist die Korrespondenztheorie, nach der eine Aussage wahr ist, wenn sie genau mit der Wirklichkeit übereinstimmt.
Es gibt aber auch andere Theorien:
Die Kohärenztheorie sagt, dass eine Aussage wahr ist, wenn sie gut in ein System von bereits bekannten, wahren Aussagen passt, ohne Widersprüche zu erzeugen.
Die Konsenstheorie meint, dass eine Aussage dann wahr ist, wenn alle vernünftigen Menschen sich darauf einigen, zum Beispiel wenn alle Menschen allgemein zustimmen, dass es gut ist, in Not geratenen Menschen zu helfen.
In der Philosophie gibt es noch andere, komplexere Theorien, doch diese drei sind die wichtigsten und bekanntesten. ↩︎
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